Der Weg ist das Ziel, auch wenn der Weg 42,19 km lang ist: Barbara läuft seit ihrer MS-Diagnose Marathon |
Diagnose änderte ihre Sicht aufs Leben
Es war im August 2012. Da brach Barbaras Welt zusammen. Sie war beim Arzt, weil sie fast kein Gefühl mehr an den Armen und Beinen hatte. "Ich spürte praktisch nichts mehr, fühlte mich wie in Styropor gepackt". Und sie bekam die Diagnose: MS. "Die teilte mir der Arzt in der Radiologie nach dem MRT mit, so nebenbei, als ob das keine Auswirkungen hätte. Und dann entließ er mich." Vor ihrem geistigen Auge sah sie sich im Rollstuhl und als Pflegefall. "Ich fragte mich, ob das jetzt mein Leben gewesen sein soll. Dabei wollte ich noch so viel erleben, und jetzt würde ich die Zeit nicht mehr dazu haben." Sie fühlte sich wie abgetrennt von ihrem Leben, statt in Farbe sah sie alles in Grau-Tönen. Sie musste ihre geliebten Volleyball-Sport aufgeben, weil die Symptome sie am Spielen hinderten.Hilfen aus dem Tief
Herausgeholfen haben ihr die Familie, ihre Freund, die Kollegen und ihr Hausarzt. Vor allem aber ihr Willen. "Ich hatte immer schon viele Ziele, war aber oft zu träge, diese umzusetzen, verschob sie auf Morgen auf Übermorgen", erzählt sie mir. "Die Diagnose hat mich daran erinnert, dass man nicht ewig Zeit hat." Und sie begann zu laufen. "Nein, ich lief der MS nicht weg", fügt sie lachend hinzu. "Ich wollte, ich musste einfach etwas tun, wollte der Erkrankung nicht die Allmacht über mein Leben überlassen, wollte nicht, dass mir die Zeit davon läuft, also lief ich selbst."
Laufen als Therapie
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Marathon de Paris
38.674 Läufer kamen am Ziel, dem Arc de Triomphe, an |
"In der Nacht vor dem Rennen habe ich mich gefragt, was ich da eigentlich tue und mich darauf eingestellt, dass ich auch versagen könnte. So einen Durchhänger hatte ich in der ganzen Vorbereitung nicht. Aber dann am Morgen, auf dem Weg zur Startlinie an der Champs Elysées, überkam mich eine große Gelassenheit und auch Freude: Die Sonne, die schon aufgegangen war, die kühle, frische Luft, und die Menschen um mich herum, die alle auf ihre Art und Weise ebenfalls aufgeregt waren. Beim Start fiel alle Anspannung von mir ab und ich wusste schon auf den ersten Metern, dass ich es schaffen würde."
Wenn Barbara von dem Paris-Marathon erzählt, redet sie mit Händen und auch mit den Augen. In ihnen spiegelt sich auch heute noch, fast ein Jahr nach dem Lauf, diese unbändige Lust und Energie. Und das Erfolgserlebnis, nicht aufgegeben zu haben.
"Ab Kilometer 25 hatten sich meine Sensibilitätsstörungen verstärkt und ich war bis zu den Oberschenkeln taub. Ich habe innerlich kurz geschrien und mir gedacht: doch nicht schon bei Kilometer 25."
Du wirst es schaffen
Im richtigen Rhythmus: Barbara in Paris |
Motiviert durchzuhalten haben sie die Läufer um sie herum. Jeder hat gekämpft. "Manche standen mit Krämpfen am Straßenrand und da habe ich mir gedacht, aufgeben kann ich immer noch, aber erst mal laufe ich weiter." Bei Kilometer 40 hat ihr ein älteres Paar zugerufen "Tu vas le-faire!" Dieses Du-wirst-es-schaffen hat ihr richtig Kraft geben und sie hat die volle Distanz geschafft. "Das war wichtig für mich", erklärt Barbara. "Wichtig und richtig" ergänzt sie. Denn sie hat sich selbst gezeigt, dass nicht die MS, sondern sie selbst die Regie über ihre Leben hat, dass sie im JETZT Ziele erreichen kann.
"Etwas zu erzwingen klappt nicht, das ist mir auch klar geworden", erklärt sie. "Man muss sich nicht zwingen, sondern auf seinen Körper hören. Volleyball funktionierte bei mir nicht mehr, ich quälte mich nur noch. Und das ist nicht nötig. Denn man findet Alternativen, vorausgesetzt man sucht danach."
Wow! Eine Frau, ein Weg. Und was für einer. Wenn du das schilderst, sitzt man fast daneben. Lebendig ist die Schilderung, wie Barbara selbst. Klasse Mutmachergeschichte! Und gute Botschaft: Nicht jede(r) muss Marathon laufen, aber angemessen unterwegs sein hilft, auch vermeintlich Unmögliches zu schaffen.
AntwortenLöschenMan muss sich zu nichts zwingen, schon gar nicht zum Laufen. Was ich davon mitnehme: sich Ziele setzen und an sich glauben
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