Mittwoch, 2. Dezember 2015

Was würdest Du im Leben richtig gerne tun?

Was für eine Frage! Was für eine gute Frage!! Für die Mehrheit der Deutschen stehen Spontaneität, Familie, der Partner und Freunde an oberster Stelle. Sie wollen "einfach" nur glücklich sein. Und das ist meist erst mal gar nicht so einfach. Im Weg stehen Pläne, Termine, Leistungsdruck. Der Weg zum persönlichen Glück beginnt damit, Ballast abzuwerfen und sich über lohnenswerte Ziele klar zu werden. Das weiß Ilonka Lütjen. Nach der Diagnose MS musste sie ihr Leben neu sortieren. Statt beruflich nonstop unterwegs zu sein, teilt sie sich ihre Zeit heute selbst ein und arbeitet wohnortnah. "Früher hätte ich dieses Leben langweilig gefunden. Jetzt finde ich es schön", bekennt sie. In der Workshop-Reihe "LebensWände" unterstützt sie andere dabei, für sich neue Perspektiven zu finden.

Ilonka Lütjen bietet "LebensWände" an, um sich
über die eigenen Ziele klar zu werden

Kennengelernt haben wir uns über das Thema "MS und Arbeitswelt". Ilonka Lütjen war als Unternehmensberaterin viel unterwegs gewesen, war ständig on tour und unter Hochspannung. Bis Gleichgewichtsprobleme, Gehschwierigkeiten und Fatigue ihr das gewohnte Tempo schwer machten. Sie versuchte es dennoch noch vier Jahre aufrecht zu erhalten, bis sie 2009 an dem Punkt war, an dem ihr klar wurde: "Entweder ich verändere etwas oder ich gehe vor die Hunde."

Sie packte ihren Koffer, zog sich einen Monat lang in die Einsamkeit zurück und räumte innerlich auf. Sie schaute sich sehr genau an, was sie nicht mehr tun kann und wie sich das mit dem vereinen lässt, was sie wirklich tun will. Nach ihrer Rückkehr absolvierte sie eine ganzheitliche Coaching-Ausbildung und gründete die Agentur Busicap - Business mit Handicap. Und ist heute eine gefragte Ansprechpartnerin für Arbeitnehmer und Arbeitgeber, wenn es darum geht, was an "Behinderung" kann und soll man sich im Arbeitsleben zutrauen.


Mittwoch, 23. September 2015

Lernen, was wichtig ist

Humor verbindet: Claudia und mein Red-Nose-Day in HH
Leben mit MS bedeutet Leben mit einer unheilbaren Krankheit. Mit allem, was dazu gehört: Zweifeln, Mut schöpfen, Angst haben, sich auf Veränderungen einstellen, weinen, lachen. Und Menschen neu begegnen.

Am Anfang stand ein Aufruf: Claudia meldete sich bei der Aktion "Schreiben über Multiple Sklerose" in msdialog. Als ich ihre Zeilen las, war mir klar, diesen Menschen will ich kennenlernen.

Herzensbildung

"Mir ist egal, was jemand ist. Aber nicht wie jemand ist. Soll heißen: Ob Professor, Promi, Politiker, noch so hohes Tier: Das kann bestimmt nicht reichen, damit ich jemanden mag. Wenn jemand Herzensbildung mitbringt, mit seiner inneren Wärme andere erreicht, sieht das schon ganz anders aus. Völlig einerlei, ob hier oder woanders beheimatet, ob mit oder ohne Obdach, ob Schulabschluss vorhanden oder nicht: Ich mag Menschen, die sich nicht über andere erheben und ihre Mitmenschen empathisch und respektvoll-akzeptierend behandeln, so wie sie sind, ohne den Versuch, auszugrenzen oder zu sortieren."

Montag, 31. August 2015

Wir sind Deutschland

Drei Schwestern, alle Jahrgang 1968

Ich kann nicht glauben, was ich sehe, höre, wahrnehme. Aber Schweigen kann ich auch nicht. Brennende Notunterkünfte, offener und versteckter Hass, Ausgrenzung, Beleidigungen. Rassismus. Hier und Heute. In Deutschland. In dem Land, das ich zu schätzen gelernt habe. In dem Land, in dem ich zufällig geboren bin. In dem Land, für dessen Geschichte ich mich lange geschämt habe. Heute schäme ich mich für manche Bewohner, die ihre langgehegten Vorurteile "Besorgnis" nennen, die Angst haben, etwas abgeben zu müssen, die glauben, besser zu sein. Als wer eigentlich? Als Frauen, Männer, Kinder, die alles verloren haben, die alles aufgegeben haben auf der Suche nach einer Gegenwart und Zukunft, die den Namen Leben verdient? Mir graut, wenn ich sehe, höre, lese, wie diese Menschen in Deutschland "willkommen" geheißen werden.

Donnerstag, 13. August 2015

Er ist da

Es sind gerade einmal drei Silben und doch sagen sie für Heike alles aus. Denn "er ist da", wenn es ihr gut geht und genauso wenn die Fatigue ihr Energie raubt, Behörden wie die Rentenversicherung ihre Geduld beanspruchen, wenn die Multiple Sklerose zum Innehalten und Kraftsparen zwingen. Er ist da. Und er heißt Peter.


JA zum gemeinsamen Leben: Heike und Peter
Liebe macht kreativ. Das ist mehr als nur ein Kalenderspruch. Denn Peter war für Heike Führ der Motor zum Schreiben. Alle ihre Bücher haben direkt mit ihm zu tun. Denn ohne ihn, weiß sie, hätte sie sich sicher nicht getraut, so schnell einen Verlag zu suchen und zu finden. Er ist ihr größter Kritiker und ihr größter Fan. Das beruht auf Gegenseitigkeit. Früher, als die Fatigue, diese maßlose Erschöpfung, sie noch nicht zu regelmäßigen Ruhepausen zwang, war sie bei jedem seiner Konzerte dabei. Denn Peter ist Musiker. Heute ist sie nur noch selten bei einem Gig dabei. Aber die Wirkung ist nach wie vor die gleiche. Wenn er mit seiner Gitarre verschmilzt, sie ihn singen hört, erlebt, wie er auf der Bühne aufblüht, dann verliebt sie sich jedes Mal aufs Neue in ihn. Garantiert.


Mittwoch, 22. Juli 2015

Was Gedanken mit Kraft zu tun haben

Gedanken haben eine große Macht. Sie sind der Anfang aller Gefühle, Worte und Handlungen, quasi der Einschaltknopf. Das behauptet der Franziskanerpater Christoph Kreitmeir. Und er behauptet es nicht nur, sondern begründet es in seinem Buch "Glaube an die Kraft der Gedanken". 


Priester, Bruder und Autor: Pater Christoph

Großmacht Gedanken


Katholische Priester stelle ich mir alt vor, schwarzgewandet, Rosenkranzmurmelnd. Ok, das ist ein Klischee und rührt sicherlich aus meiner Grundschulzeit. Und damit aus dem letzen Jahrtausend. Es gibt sie sicherlich noch, die weltentrückten Geistlichen. Aber es gibt auch andere, wie Pater Christoph Kreitmeir. Über den Nachnamen gestolpert? Er ist katholischer Priester und Sozialpädagoge, Franziskaner und psycho-spiritueller Therapeut, Seelsorger und Autor. Und er ist mein Bruder. Was mich nicht objektiv, aber durchaus kritikfreudig macht. Und genau mit dieser Einstellung habe ich sein Buch gelesen.



Sonntag, 17. Mai 2015

Mut zum Improvisieren

Es gibt Situationen im Leben, da gibt es weder Plan A noch Plan B, weil alles im Wandel ist. Was gestern noch 100% gültig war, erscheint auf einmal sinnfrei, zumindest wenig sinnvoll. Was also tun, wenn es keine Rezepte, bekannte Handlungabläufe und Checklisten mehr gibt? Improvisieren. Das könnte eine Möglichkeit sein. Habe ich gehört. Und deswegen habe ich mich zu einem Workshop für Improvisationstheater angemeldet.


Die Kabarettistin und Schauspielerin Angelika Beier bietet Workshops in Schauspieltechniken wie Improvisation an. Gelernt hatte sie mal Töpferin, aber schnell zog es Angelika Beier auf die Bühne. Derzeit tourt sie mit ihrem Solo-Programm "Zwischen Sex und 60" durch Deutschland.



Die Welt ist eine Bühne

Shakespeare hatte sicher recht mit diesem Satz. Aber warum ich mich bei dem Workshop auf einer Bühne produzieren muss, leuchtet mir dennoch nicht ganz ein. Ok, Angelika Beier hat sehr eindrücklich vermittelt, dass man die Bühnenerfahrungen in den Alltag übertragen kann. Also alles, was man dort über Spontaneität, Körpersprache, Atmen, Stimme und Präsenz lernt, im normalen Leben nutzen kann. Klingt überzeugend. Zumindest in der Theorie. In der Praxis fühle ich mich reichlich mit der Aufgabe überfordert, einen Talkshow-Gast darzustellen. Also pointiert und schlagfertig darzustellen. In den 30 Minuten, die ich Zeit habe, mir die Figur auszudenken, überlege ich mir alles Mögliche, vor allem überlege ich mir Unmögliches, wie sich bei meinem dreiminütigem Auftritt zeigt. Ich will gut sein, witzig und vergesse so etwas einfaches wie regelmäßig zu atmen. Aber das Publikum ist gnädig und applaudiert. Applaus tut gut. Und weckt die Lust, weiter zu machen.

Mittwoch, 6. Mai 2015

Werden wir wie unsere Eltern?

Kinder öffnen einen die Augen für die Leistung der eigenen Eltern
Ein Schreckgespenst. Für viele Jahre zumindest. Denn die Teenies, die 20er und für manche auch noch die 30er sind davon geprägt, nie - wirklich nie! - so werden zu wollen wie Vater oder Mutter. Aber die Lebensjahrzehnte der Nie- und Immer-Aussagen, der Ausrufezeichen und Besserwissereien liegen hinter mir. Und ich bin selbst Mama, was die Perspektive grundlegend verändert. Denn Tag für Tag geht es um den Balanceakt zwischen Nachsicht und Konsequenz, zwischen Können und Wollen. Und um die Urkraft, die Vertrauen und Liebe möglich machen. Damit rückt auch die eigene Kindheit wieder näher heran.


Zukunft braucht Herkunft 

"Zukunft braucht Herkunft" behauptet die Psychotherapeutin Dr. Silvia Dirnberger-Puchner in ihrem Buch "Werden wir wie unsere Eltern". 


Mittwoch, 18. März 2015

Eintauchen in grenzenlose Freiheit

Es gibt Menschen, die wirken. Und zwar weit über das Treffen hinaus. Monika ist so ein Mensch. An Land ist sie auf den Rollstuhl angewiesen, im Wasser entdeckt sie Schwerelosigkeit. Sie gilt als Deutschlands erfahrenste Taucherin mit Handicap. Und sie hat mich etwas gelehrt: Die wirklichen Grenzen verlaufen im Kopf. Oder andersrum formuliert: Grenzenlose Freiheit ist möglich, wenn man etwas entdeckt, was dem Leben Sinn gibt.

An Land sitzt Monika im Rollstuhl, im Wasser schwimmt sie schwerelos